Was tut die Kirche für die Schöpfung?

Sonntag, 4. September 2016

Jeweils am 1. September beginnt in den Landeskirchen die Schöpfungszeit, initiiert von der Arbeitsstelle oeku/Kirche und Umwelt. Diese wurde vor 30 Jahren gegründet. Ich war Mitglied der Konzeptgruppe und viele Jahre im Vorstand. Darum wurde ich gebeten, für die oeku-Nachrichten einen Rückblick auf diese Zeit zu schreiben. Entstanden ist eine kritische Auseinandersetzung mit dem Schöpfungs-Engagement der (katholischen) Kirche:

In der Spiritualität des Franz von Assisi, eines der grössten Heiligen der katholischen Kirche, hat der Bezug des Menschen zur Schöpfung einen zentralen Wert. Dennoch spielte die Sorge für die Schöpfung bis vor kurzer Zeit bei den Katholiken keine grosse Rolle. Dass es anders wurde, ist nicht zuletzt ein Verdienst der oeku.

Ich hatte die Ehre, als einer von vier Katholiken in der ökumenischen Gruppe mitzuwirken, die Mitte der 1980er-Jahre die Frage beantworten musste: Ist es sinnvoll, einen Verein/eine Arbeitsstelle zu gründen, welche die Anlagen des Memorandums „Mensch sein im Ganzen der Schöpfung“ im kirchlichen Leben umsetzt?

Ich erinnere mich noch, wie einer meiner katholischen Kollegen meinte, es sei wenig sinnvoll, etwas Neues zu schaffen. Ich bin bis heute stolz darauf, dass ich die Gegenposition vertrat. Dies war eigentlich gar nicht schwer, da meine evangelischen Kollegen in der Gruppe – wenn ich mich recht erinnere – praktisch einhellig der Meinung waren, es bestünde Handlungsbedarf.

Nicht einmal bei franziskanischen Orden
Wenn ich mich heute an katholisches Umfeld der 1970er-/80er-Jahre erinnere, muss ich feststellen, dass dort die Begeisterung klein war, etwas für die Schöpfung zu unternehmen. Um nochmals an Franz von Assisi zu erinnern: Im Noviziat der Kapuziner – diese sind ein franziskanischer Orden! – hörten wir zwar von der Vogelpredigt des Heiligen. Aber Schöpfungsspiritualität? Fehlanzeige!

Selbst in der Synode 72 kam Ökologie kaum zur Sprache. Jedenfalls suche ich im umfangreichen Stichwortverzeichnis der zwölf verabschiedeten Texte vergeblich danach. Auch „Umwelt“ ist nirgends zu finden. Als Info-Chef der Synode im Bistum Basel war ich zwar nicht Mitglied der Synode, hätte aber trotzdem das Thema einbringen können. Ich habe es nicht getan. So wenig wie ich kurze Zeit vorher unserer Gesangslehrerin widersprochen habe, als sie uns Kapuzinerstudenten vorjammerte, es würde viel zu viel von Umwelt gesprochen. Schon damals, etwa 1970, hatte man also genug von „Umweltschutz“, obwohl noch sehr wenig dafür getan wurde …

Wo bleiben die Schweizer Bischöfe?
Dies ist aus meiner Sicht der Hintergrund, auf dem oeku gegründet wurde. Zwar konnte die Gründung nicht bewirken, dass die Schöpfung den ihr gebührenden Platz in der Kirche einnahm. (Ich spreche hier von „meiner“ Kirche.) Ein Indiz dafür: Meine Freunde von der oeku-Arbeitsstelle baten mich mehrmals, an den Umweltkonsultationen des Rates der europäischen Bischofskonferenzen/CCEE die Schweiz zu vertreten.

Dort traf ich immerhin den einen oder andern „Umweltbischof“. Und ich fragte mich, wer überhaupt das Ressort Umwelt in der Schweizer Bischofskonferenz vertreten würde! Wieder zuhause, schaute ich nach und fand tatsächlich einen Bischof, der neben vielen andern Anliegen auch jenes der Bewahrung der Schöpfung vertrat. Nur war von ihm diesbezüglich kaum etwas zu hören…

Werben für die oeku
Aber genug der Klage! Ich wende mich positiven Erfahrungen zu. Dazu gehören meine Kontakte zu den Orden in der Schweiz. Als Ordensmann machte ich es mir unmittelbar nach der oeku-Gründung zur Aufgabe, vor allem bei den Männerorden darauf hin zu wirken, dass sie oeku-Mitglieder wurden. Bei der Vereinigung der Höhern Ordensobern der Schweiz/VOS fand ich Gehör. Auch der Kapuzinerorden wurde oeku-Mitglied.

Es war mir bewusst, dass es nicht genügte, wenn die Ordensleitung ökologisch dokumentiert wurde. Denn nicht alles findet von dort den Weg nach „unten“. So versuchte ich, die zu ihrem Jahrestreffen versammelten Hausobern zu motivieren, der oeku beizutreten. Es gab Obere, die mich darauf einluden, in ihren Häusern die Brüder in Hauskapiteln direkt zu informieren.

In der ordenseigenen Gruppe Gerechtigkeit, Friede, Bewahrung der Schöpfung/GFS, die kurz nach der berühmten Basler Versammlung von 1989 ins Leben gerufen wurde, haben wir immer wieder gezielt die Impulse der oeku aufgenommen. So haben wir u.a. die Schöpfungszeit in unseren Reihen „gepusht“. Als sich unsere Gruppe „interfranziskanisch“ wurde, arbeiteten auch Schwestern der wichtigsten Orden mit, die sich auf Franz von Assisi berufen (Menzingen, Ingenbohl, Baldegg …).

Quantitativ schlecht dotiert
Selbstverständlich erzähle ich dies alles nicht, um mich zu rühmen. Es geht mir darum, aufgrund eigener Erfahrungen in einem beschränkten Umfeld darzulegen, wie die Gründung der oeku eine zukunftsweisende Sache war. Sie wurde keineswegs zu einem Papiertiger. Und dies trotz ihrer quantitativ relativ schlecht dotierten Arbeitsstelle. (Ich möchte den beiden Kurt’s nicht schmeicheln. Aber: Es darf hier einmal darauf hingewiesen werden, dass sie nicht zuletzt wegen ihres Erfahrungsschatzes sehr nachhaltige Arbeit leisten.)

Betr. Dotierung: Bei der Trias Gerechtigkeit, Friede, Bewahrung der Schöpfung stehen im Grunde alle drei Elemente gleichberechtigt nebeneinander. So müsste oeku ähnlich dotiert sein wie beispielsweise die Werke, die für die Gerechtigkeit arbeiten (Fastenopfer, Brot für alle).

Schöpfung wurde zum Thema
Anders als vor 30 Jahren ist Umwelt/Bedrohung der Schöpfung kein Un-Thema mehr. Es würde zu weit führen, näher darauf einzugehen. Nur ein Beispiel: Als vor einigen Jahren die drei Landeskirchen des Kantons Luzern eine gemeinsame Synode durchführten, konnte ein Mitarbeiter der oeku ein viel beachtetes Referat halten.

Wenn ich hier die katholische Sicht referiere, darf die Umwelt-Enzyklika von Papst Franziskus nicht vergessen werden. Dieser schrieb „Laudato si“ sicher nicht auf Veranlassung der oeku! Aber man darf behaupten: Ohne die unermüdliche Arbeit für die Bewahrung der Schöpfung in den letzten 30 Jahren wäre in der Schweiz das Echo auf dieses Schreiben sicher viel geringer ausgefallen.

Übrigens: „Laudato si“ ist bloss ein „Papier“. Aber auch das ökologische Memorandum „Mensch sei im Ganzen der Schöpfung“ war bloss ein Dokument. Glücklicherweise fanden sich Engagierte, die ihm Leben einhauchten. Dies ist auch der Enzyklika zu wünschen.

Angaben zur Schöpfungszeit und pdf der neuesten oeku-Nachrichten: http://oeku.ch/de/index.php