Wo sind die Hungernden?

Freitag, 17. Juli 2015

Papst Franziskus äussert sich kritisch über die Expo Mailand.

Der Papst als Spassverderber auf der Expo in Mailand

„Die Welt ernähren. Energie für das Leben“. Das Motto der Weltausstellung in Mailand signalisiert Nachhaltigkeit und Verantwortungsbewusstsein. Doch in den futuristischen Länderpavillons präsentieren sich – teils offen, teils als Sponsoren – die wahren Weltherrscher der Ernährung: Multinationale Lebensmittelkonzerne wie Coca-Cola, Nestlé oder McDonalds, die für den Hunger in der Welt mitverantwortlich sind. „Wir bringen Regierungen, Privatleute und Unternehmen zusammen“, rechtfertigt Kim Anderson, Sprecherin von Coca-Cola, die Präsenz. Was für ein Selbstverständnis: ein Limonadenkonzern in der Rolle des sorgenden Welternährungsmanagers.

Das Video-Grusswort von Papst Franziskus zur Eröffnung wirkte daher wie ein Stimmungskiller. Ins Zentrum dieser Weltausstellung gehörten die „Gesichter der Hungernden“ und all jene, die erkranken, weil sie nur schlechte Nahrung zur Verfügung haben, kritisierte der Papst. Die Schau sei in gewisser Hinsicht selbst Teil eines „Paradoxes des Überflusses“. „Lassen Sie diese Expo zu einer Gelegenheit für einen Mentalitätswechsel werden, lassen wir die Vorstellung fallen, dass unsere tödlichen Handlungen keinen Einfluss auf das Leben derer haben, die Hunger leiden“, erklärte der Papst. Allerdings steht auch die katholische Kirche in der Kritik. Die drei Millionen Euro, die der Vatikan, das Bistum Mailand und die italienische Bischofskonferenz für den Pavillon aufgewendet haben, sei eine höhere Summe als diejenige, die man 2014 für die Opfer von Ebola, verfolgte Christen im Irak oder für die Betroffenen der Hochwasserkatastrophe in Ligurien bereitgestellt habe, kritisiert die Zeitung Fatto Quotidiano. Kardinal Ravasi, im Vatikan für Kunst und Kultur verantwortlich, verteidigte den vatikanischen Pavillon als „Stachel im Fleisch der Märkte“.

Dass der Hunger zu den grössten Menschheitsproblemen gehört – darüber sind sich alle einig. Strittig ist die Frage, wie man ihn am besten bekämpft. Zwei unterschiedliche Strategien stehen sich gegenüber Die einen wollen die westlichen Methoden der Landwirtschaft auf die gesamte Welt ausdehnen. Durch Gentechnik und Konzentrationsprozesse (Flurbereinigung, Massentierhaltung etc.) glaubt man, die landwirtschaftliche Produktion um siebzig Prozent steigern zu können. Solche Raten sind nach Berechnungen der Vereinten Nationen nötig, um die stark wachsende Menschheit noch in vierzig Jahren ernähren zu können. Radikale Verfechter dieser Theorie glauben, dass es gelingen könnte, mithilfe der Gentechnik das Schmerzempfinden der Tiere auszuschalten oder Fleisch direkt aus tierischen Stammzellen zu züchten, um das Problem des tierischen Leidens zu lösen. Das Schnitzel aus der Petrischale.

Das zweite Modell argumentiert genau andersherum. Nur eine Stärkung der lokalen, kleinteiligen Landwirtschaft könne Kulturlandschaften bewahren, Böden und Wasser schützen und den Hunger bekämpfen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Bischöflichen Hilfswerks Misereor und der Heinrich-Böll-Stiftung. Der Vorschlag funktioniert aber nur, wenn es in den reichen Ländern zu einem Umdenken in der Landwirtschaftspolitik käme, was eine deutliche Verringerung des Fleischkonsums voraussetzen würde. Denn für die Produktion von einem Kilo Fleisch werden etwa 20 000 Liter Wasser verbraucht, während ein Kilo Getreide nur 1000 Liter benötigt. Ausserdem werden immer mehr Anbauflächen für die Herstellung von Futter im aussereuropäischen Ausland aufgekauft, die den dort lebenden Menschen fehlen. Dazu kommt die skandalöse Wegwerfkultur in reichen Gesellschaften. Man schätzt, dass mindestens ein Drittel der hier angebotenen Lebensmittel auf dem Müll landen.
Quelle: Publik-Forum